Die WP Story
Entstehung
Der Berliner Ruderclub Welle-Poseidon ist wie viele andere Berliner Rudervereine übrigens auch – um die vorige Jahrhundertwende als Antwort auf die beginnende Sportbewegung entstanden. Und doch unterscheidet sich seine Entwicklung in so einzigartiger Weise von dem üblichen zeitgeschichtlichen Verlauf, dass wir uns heute noch in besonderer Weise sportlichen und gesellschaftlichen Aufgaben verpflichtet fühlen.
Es begann 1894 bei der Gründung mit dem gemeinsamen Bestreben, künftig nicht eine Vereinigung von Bootsbesitzern sein zu wollen sondern der Gemeinschaft einen Bootspark zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung halten zu wollen.
Die Idee war gut.
Der Verein wuchs rasch und fusionierte bald mit zwei anderen Vereinen.
Das erste eigene Clubhaus stand in Stralau
Als im August 1914 der 1. Weltkrieg begann, zogen 40 Kameraden mit und von einem Tag auf den anderen hatten sich die Aufgaben des Clubs daheim geändert: Man hielt Kontakt zu den Kameraden im Felde und gründete einen Hilfsfonds für in Not geratene Familien. Am Ende des Krieges hatten 100 Mitglieder unter Waffen gestanden, viele kamen nicht mehr zurück, und der Sportbetrieb war fast völlig zum Erliegen gekommen.
Aber weitsichtig hatte man inzwischen seine Fühler ausgestreckt nach einem neuen Grundstück auf dem Gelände des Regattavereins in Grünau und die erste Jugendabteilung des Vereins gegründet. Sie beteiligte sich 1920 erstmalig an einer Regatta des Ruderverbandes und errang einen Sieg, dem in den nächsten Jahren viele folgen würden.
1925 nahm man im Frühjahr Abschied vom alten Bootshaus am Rummelsburger See, und wenig später fand auf dem Grundstück in Grünau auf dem Rohbau die erste Versammlung statt. In den folgenden Jahren machte der Verein eine ganz stabile und erfolgreiche Entwicklung: Die Zahl der Mitglieder wuchs und mit ihr die Jugendgruppe; sie nahm mit hervorragenden Ergebnissen an allen offiziellen Regatten teil; und trotz der großen Wirtschaftskrise war die wirtschaftliche Situation stabil. Es ging unentwegt vorwärts. Und vermutlich würden sogar zwei junge Kameraden im Olympia-Doppelvierer sitzen …
Verfolgung im Nationalsozialismus
Aber was dann die Jahre 1933 bis 1939 für „Welle-Poseidon“ bedeuteten, lässt sich nur schwer beschreiben.
Jude oder Christ zu sein, hatte bis dahin nur eine ganz persönliche Bedeutung. Mit der Anwendung des sog. „Arierparagraphen“ auf den Sportbetrieb wurde die Clubgemeinschaft, die zu einem wesentlichen Teil aus Mitgliedern jüdischen Glaubens bestand, schlimmen Prüfungen unterworfen: Sie wurde gezwungen, aus allen Verbänden auszutreten und konnte an keinen Wettbewerben mehr teilnehmen; die ständige Verschärfung der Verordnungen machten Wanderruderfahrten zu einer Kette demütigenden Organisierens!
Trotz des großen Drucks lehnten die christlichen Mitglieder die Aufforderung der damaligen Behörden ab, sich von ihren jüdischen Kameraden zu trennen. Sie beschlossen ihrerseits, den Verein zu verlassen, um den jüdischen Mitgliedern den – wenn auch stark eingeschränkten – Ruderbetrieb zu erhalten, denn sie hätten in anderen Vereinen unterkommen können, die jüdischen Mitglieder wären aber nirgendwo mehr aufgenommen worden. In der Folge wurde ihnen der Sportbetrieb dann trotzdem zeitweilig auf Wochen oder Monate ganz untersagt; 1936 wurde das Haus enteignet und stattdessen ein verwahrloster Teil der Bullenbruchinsel angeboten. Besondere Schikane ließ nur einen einzigen Sonntag Zeit, das Haus zu verlassen; mit heimlichen Absprachen organisierte Hans Herrmann praktisch „zu Fuß“ einen Umzug: Alle Boote gingen auf’s Wasser (ein Achter mit drei Mann!), alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde unter den Arm geklemmt, dann rannte er als letzter noch zum Flaggenmast, um die Clubfahne zu retten. Im Februar 1939 musste der Verein sich dann selbst zwangsweise liquidieren.
In jener Zeit hatten die ersten Kameraden, die in Deutschland keine Lebensmöglichkeit mehr sahen, das Land bereits verlassen. Die heimlichen, festen Kontakte ermöglichten vielen, ihnen nachzufolgen und in der neuen Heimat bei den vielen Startschwierigkeiten Hilfe zu bekommen. Über Jahrzehnte saß man regelmäßig in USA, Südamerika, Afrika und Australien um die blau-weiß-rote Clubflagge zusammen!
Die ältesten Kameraden, die heute noch unter uns sind, sprechen mit Rührung von jenem ganz außerordentlichen Freundschaftsbewusstsein, das in der dunklen Zeit entstand; und sie denken mit Ehrfurcht an Willy Coper, den Vorsitzenden jener schwierigen Jahre, dessen Energie und Weitblick es gelang, den Zusammenhalt zu bewahren … einen Zusammenhalt, der sich nicht zuletzt auch darin bewiesen hat, dass von den auswärtigen Mitgliedern dann wieder Care-Pakete nach Deutschland kamen!
Wiederaufbau
Nach dem Zusammenbruch trafen sich im Sommer 1945 die Kameraden Ludwig Riess und Gerhard Krüger wieder im zerstörten Berlin. Sie beschlossen, eine Anzeige in einer Berliner Tageszeitung aufzugeben, ehemalige Kameraden auf diese Weise ausfindig zu machen und den Verein zu neuem Leben zu erwecken. Es meldeten sich 7 Kameraden, die in der Wohnung von Ludwig Riess zusammensaßen und den Wiederaufbau von „Welle-Poseidon“ beschlossen. Eines schönen Sommertages fuhr man nach Grünau, fand auf dem Bootshausgelände Ruderer von „Alemannia“, dem Verein, dem es Ende der 30er Jahre übereignet worden war und einigte sich auf gemeinschaftliche Nutzung. Ab 1947 ging bereits regelmäßig ein Achter in Grünau auf’s Wasser!
.
Der Vereinheitlichung der Sportbewegung im Ostteil der Stadt konnten und wollten sie sich jedoch nicht anschließen und so verließen sie ihr Bootshaus zum zweiten Mal, um im Westteil der Stadt von neuem anzufangen, auch wenn die Zusammenkünfte in jener Zeit ohne Boote, ohne Bootsgelände und ohne Strom nur aus geselligen Treffs bei Kerzenlicht bestanden.
Am 12.3.1950 wurde die Wiedereintragung des BRC „Welle-Poseidon“ gefeiert; an der Scharfen Lanke bekam der Club eine provisorische Unterkunft.
Im Frühjahr 1951 konnte der erste Doppelzweier auf den Namen des Vereins getauft werden. Der erste Riemenvierer hat wenig später „Erwin Michaelis“ geheißen und sollte an die erfolgreiche Trainerarbeit dieses Mannes in den 30er Jahren erinnern, der als einziges christliches Mitglied im amtlich umbenannten „Jüdischen Ruderclub Welle-Poseidon“ hatte verbleiben wollen, um den Ruderbetrieb aufrecht zu erhalten. Der zweite Riemenvierer erhielt den Namen „Grünau“.
Im Jahr darauf zog man um in ein kleines Bootshaus am Kleinen Wannsee.
Schon damals setzten bereits die ersten Einschränkungen eines ungehinderten Verkehrs auf den Wasserstraßen zwischen den östlichen und westlichen Teilen unserer Stadt ein.
Im April 1954 erfolgte der Wiedereintritt des „Welle-Po“ in den Deutschen Ruderverband, und im Mai des Jahres feierte man ein großes Fest zum 60jährigen Bestehen des Vereins. Der Verein nahm wieder an Regatten teil, mit beachtlichem Erfolg übrigens, und so nahm 1955 Alfred Schulmeister, der seine neue Heimat in Australien gefunden hatte, bei einem Besuch in Deutschland die Taufe des ersten neuen Rennvierers vor. Er war ehedem einer der beiden Ruderer, die 1936 im Olympia-Vierer hätten sitzen können, wenn man ihm die Teilnahme nicht aus „rassischen Gründen“ verboten hätte; sozusagen „mitgehangen/mitgefangen“ hatte damals als zweiter Ruderer Alfred Zöfelt.
Bis 1960 wuchs die Mitgliederzahl auf 100 aktive Ruderer, auswärtige Mitglieder, Fördermitglieder und Jugendliche. Was „Freizeitsport“ in jenen Jahren dem einzelnen bedeutete, wird verständlich, wenn man sich bewusst macht, dass wir mit knapp 750 Durchschnittskilometern an 3. Stelle in den Berliner Vereinsmeistersschaften standen!
Jüngste Entwicklungen
Bis 1974 gab es bei „Welle-Po“ auch weiterhin nur männliche aktive Mitglieder.
Aber da die eine oder andere Frau inzwischen längst zu Fahrten mit ins Boot gestiegen war, leistete der erste Aufnahmeantrag nur einer längst fälligen Entwicklung Vorschub: Mit Unterstützung des damaligen Vorsitzenden Werner Zöfelt wurde die Satzung zugunsten der Frauen geändert.
1989 bekam der Verein mit Christel Schmidt auch die erste weibliche Vorsitzende.
In ihre „Amtszeit“ fällt der 100. Geburtstag, der durch einen Brand im Haus 10 Tage vor den Feierlichkeiten ernsthaft bedroht war. Ihr Zuspruch, all unsere auswärtigen Mitglieder nicht zu enttäuschen, mobilisierte hundert helfende Hände und bescherte uns allen ein gutes Gemeinschaftsgefühl an den festlichen Tagen.
1996 bekam der Verein das Grundstück in Grünau gerichtlich wieder zugesprochen. Es ist an den Ruderverein „Empor“ verpachtet, mit dem wir freundschaftlich verbunden sind.
Seit vielen Jahren hat der Verein jetzt immer etwa 230 bis 250 Mitglieder. Das ist einerseits eine feste Größe, mit der sich wirtschaften lässt, andererseits sagt die Mitgliederzahl allein kaum etwas über die sportliche Aktivität aus. Die Liste der Regattaerfolge ist stattlich, einige Erfolge sind sogar herausragend. Trotzdem gab es eine Zeit, in der es an Nachwuchs ebenso wie an einer Trainerpersönlichkeit fehlte, so dass wir den Leistungssport vorübergehend ganz einstellten und ausschließlich Wanderrudern betrieben. In jener Zeit entstand aber auch das Interesse am sog. Breitensport, d.h. den Mitgliedern Möglichkeiten anderer sportlicher Betätigung anzubieten. Es wird getanzt, gelaufen, geschwommen und Tischtennis gespielt.
Ein zweiter großer Bootssteg bietet z.B. vielen Seglern Liegeplätze; sie haben vor einigen Jahren eine eigene Abteilung innerhalb unseres Vereins gebildet und sich dem Berliner und Deutschen Seglerverband angeschlossen, um an Segelregatten teilnehmen zu können.
Und seit einigen Jahren haben wir nun auch wieder eine starke Trainingsriege mit 15 bis 20 Rennruderern, die von einem sehr fähigen, engagierten Trainer gefördert und betreut wird Auf vielen Regatten werden ihre Fortschritte beachtet Wir sind sehr interessiert dran, auch die folgenden Jahrgänge heranzuziehen.
Trotzdem wissen wir wie alle Sportvereine auch um die Problematik, mit immer weniger Geld immer größeren Anforderungen genügen zu wollen, Menschen und vor allem jungen Menschen gesunde sportliche Betätigung anbieten zu können, sie zugleich aber auch längerfristig an unsere Gemeinschaft anbinden zu wollen, um die Zukunft des Verein zu sichern. Das geht nur, indem wir Menschen, die der Weg zu uns führt, unserer mitmenschlichen Verantwortung versichern – so lange sie wachsen, so lange sie bei uns rudern, und auch wenn sie eines Tages lieber im Kreis ihrer Freunde aufgehoben sind statt einsam alt zu werden.
Heide Fiehring
Noch Fragen?
Noch Fragen zur Geschichte?
Die Autorin gibt gerne weitere Auskünfte.
Mittwoch: 17:00 – 19:00 Uhr im Clubhaus
Am Großen Wannsee 46a, 14109 Berlin
Telefon: 030 / 805 17 41